Mitochondriopathie

Erkrankungen und Fehlfunktionen der Mitochondrien sind – wenn auch in der Medizin wenig beachtet – weit verbreitet. Mitochondriopathien gehören zu den häufigsten hereditären Stoffwechselstörungen. Das Problem ist, dass ihnen keine bestimmte Symptomatik zugeordnet werden kann, denn Mitochondrien finden sich in allen Körperzellen. Aus diesem Grund kann jedes Symptom auch Ausdruck einer Mitochondriopathie sein. Geschädigte Mitochondrien können in allen Organen und in jedem Alter auftreten. Häufig sind Medikamente die Auslöser für Störungen der zellulären Energieproduzenten, dies kann bereits nach einer kurzen Einnahmezeit auftreten. Daneben führen auch Mutationen am mitochondrialen Genom (mtDNA) zu dysfunktionalen Mitochondrien.

Entsprechend der Symptomenvielfalt sind die Beschwerden nur leicht oder durch Beteiligung vieler Organe auch schwerwiegend, so dass es zu einer verminderten Lebenserwartung kommen kann. Da Mitochondrien in erster Linie für die Energiebildung zuständig sind, sind vor allem Organe mit hohem Energiebedarf, wie Herz und Leber, von einer Mitochondriopathie betroffen.

Aus diesem Grund ist etwa die Hälfte der Beschwerden bei einer Mitochondriopathie kardialer Natur. Ein häufig verkanntes Frühsymptom sind Herzrhythmusstörungen. Oft erhalten diese Patienten ß-Blocker, jedoch keine Therapieoptionen zur Behandlung der zu Grunde liegenden Mitochondriopathie. Bei Kindern mit dieser Störung findet man häufig Nierenerkrankungen bei normalen Kreatininwerten. Mit die häufigste Nicht-kardiale Manifestation einer Mitochondriopathie ist ein Typ II Diabetes bei Patienten unter 40 Jahren, die in der Regel schlank sind und keine typischen Risikofaktoren aufweisen. Nach neueren Erkenntnissen haben diese Menschen, aufgrund der Mitochondriopathie, eine erhöhte Insulinresistenz im Skelettmuskel. Weitere endokrine Störungen im Rahmen einer Mitochondriopathie können sein:

  • Kleinwuchs
  • Hypogonadismus
  • Hyperparathyreoidismus
  • Hypothyreose

Viele Patienten/-innen mit einer mitochondrialen Störung leiden zum Teil über Jahre an unspezifischen Symptomen wie:

  • Reflux
  • Erbrechen
  • Schluckstörungen.

Gerade die Schluckstörungen können zu einer Kachexie führen, die dann oft mit einer Anorexie verwechselt wird. Dies ist für die Betroffenen fatal, denn die Behandlung der Anorexie führt natürlich nicht zu einer Besserung der Beschwerden.

Bekanntermaßen nimmt die Energiebilanz der Mitochondrien mit zunehmendem Altem ab. Wird diese nicht korrigiert, kommt es fast zwangsläufig zu einer Mitochondriopathie mit unspezifischen gastrointestinalen Beschwerden wie Sodbrennen und Verstopfung. Gerade ältere Menschen klagen oft über diese Beschwerden und werden wenig erfolgreich mit Säureblockern und Darmmotilität steigernden Medikamenten behandelt.

Funktion der Mitochondrien

Da jede Zelle Energie benötigt, finden sich Mitochondrien in allen Körperzellen. Jede Zelle hat zwischen 4000 bis 11000 Mitochondrien. Da der Organismus über 80 Billionen Zellen verfügt, wird ersichtlich, dass wir jeden Tag unser eigenes Körpergewicht in Form von ATP auf- und wieder abbauen.

In den Mitochondrien werden Zucker, Kohlenhydrate, Fettsäuren und Proteine zusammen mit Carnitin über den Zitratzyklus zu Metaboliten wie NADH/H+ und FADH/H+ umgebaut. Die protonenreichen Derivate werden dann über die Atmungskette zu ATP, der Energiewährung unseres Organismus, verbrannt. Dieser Vorgang wird als oxidative Phosphorylierung bezeichnet. Die komplexen Vorgänge können nur in Gegenwart diverser Vitalstoffe stattfinden.

Aus Sicht der Vitalstofftherapie ist es entscheidend, dass Elektronen vom Eisen-Schwefel-Komplex auf Ubichinon übertragen werden. Ubchinon widerum wird zu Ubichinol reduziert und gibt so die Elektronen, die für die ATP Bildung benötigt werden dann weiter. Zusammen mit den Protonen aus dem Zitratzyklus wird ATP über die ATP Synthase gebildet.

Aus dem bisher geschriebenen ergibt sich, dass Mitochondriopathien, sofern sie nich genetisch bedingt sind, eng mit der Ernährung und der Bereitstellung von Vitalstoffen verknüpft sind. Um genügend Protonen über den Zitratzyklus zu bekommen, ist eine ausreichende Zufuhr aller Bausubstrate, daher Kohenhydrate, Fette und Proteine notwendig. Die Ernährung sollte daher keinen der Bausubstrate vernachlässigen. Den Vitalstoffen, die Wirksubstrate sind kommt bei der Behandlung von Mitochondriopathien besondere Bedeutung zu.

Coenzym Q10

Wie aus dem Schaubild oben ersichtlich ist, kann ATP in der Atmungskette nur gebildet werden, wenn Elektronen vom Coenzym Q10 übertragen werden. Damit übernimmt Ubichinon eine Schlüsselrolle in der Atmungskette und bei der Energiegewinnung. Bis etwa zum 40. Lebensjahr kann der Organismus Conezym Q10 selber bilden, danach wird es essentiell und muss von außen zugeführt werden um die Energiesynthese zu gewährleisten. Speziell Organe mit einem hohen Energiebedarf zeigen bei einem Coenzym-Q10-Mangel, durch den Energiedefizit, frühzeitig zum Teil erhebliche Funktionsstörungen auf. Beim Herzen treten zunächst Herzrhythmusstörungen auf, die sich später in einer Herzinsuffizienz manifestieren können. In der Leber kommt es zu unklaren Funktionsstörungen mit oft erhöhten Transaminasen ohne erhöhtem Alkoholkonsum. Auch der Altersdiabetes, aufgrund einer Funktionsstörung der Bauchspeicheldrüse, kann mit einem Mangel an Energie aufgrund eines Ubichinon-Mangels assoziiert sein. All diese Fakten sind seid langem bekannt, die Arbeiten von Folkers und Littaru 1972 hatten dies bereits dokumentiert. Nicht verwunderlich ist das Ergebnis der Q-Symbio Studie von 2014, in der der dänische Kardiolge Prof. Mortensen 300 mg Coenzym Q10 bei Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz eingesetzt hat. Bei gut 50 Prozent der mit Coenzym Q10 versorgten Patientinnen und Patienten kam es zu einer deutlichen Besserung der Beschwerden. Dies ist bisher das beste Ergebnis, dass in der Behandlung der Herzinsuffizienz erzielt werden konnte.

Der schwedische Kardiologe Prof. Alehagen versorgte im Rahmen der Kisel 10 Studie ältere Menschen mit Selen und Coenzym Q10, was zu einer Reduzierung der kardiovaskulären Todesfälle, bei diesen an sich gesunden Menschen, um 50 Prozent zeigte. Alles in allem zeigen die Fakten und Studien, dass jeder Mensch jenseits des 40. Lebensjahres von einer Substitution mit Coenzym Q10 profitiert. Hier genügen in der Regel 100 mg Coenzym Q10 am Tag. Herzkranke Menschen sollten täglich 300 mg Coenzym Q10 zusätzlich zu der Nahrung ergänzen.

Da Coenzym Q10 ein sogenanntes Redoxpaar ist, ist es zunächst unerheblich ob oxidiertes Ubichinon oder reduziertes Ubichinol eingesetzt wird. Allerdings wird in Oxidation fixiertes Ubichinon deutlich besser vom Organismus resorbiert als Ubichinol (z.B. Aktiv Q10 Bio Chinon von Pharma Nord), weshalb Ubichinon in der Substitution am besten geeignet ist. Im Internet wird oft gegenteiliges behauptet, jedoch wurde diese Tatsache in einer großen unabhängigen spanischen Studie eindeutig bewiesen. Auch muss beachtet werden, dass Coenzym Q10 über das lymphatische System resorbiert wird, daher dauert es immer sechs bis neun Stunden, bis ein ausreichender Wirkspiegel erreicht werden kann. Werbeaussagen die anderes suggerieren sind daher falsch. Coenzym Q10 ist zusätzlich ein gutes Antioxidans in den Mitochondrien und unterstützt das fettlösliche Antioxidans Vitamin E an der Zellmenbran.

Selen

Das Spurenelement Selen ist wesentlicher Bestandteil des effektivsten enymatischen Radikalenfängers in unserem Körper, nämlich der Glutathionperoxidase. Besonders Mitochondrien sind aufgrund ihres hohen Energieumsatzes durch freie Radikale gefährdet. Überwiegen die freien Radikale produzieren Mitochondrien nur wenig Energie aber zusätzlich noch weitere freie Radikale.

Dies führt zu einer Schädigung der Zelle bis hin zum Zelltod oder kann zu einer Entartung beitragen. Selen, als Bestandteil der Glutathionperoxidase, kann dem entgegenwirken. Leider ist die Versorgung mit Selen über die Nahrung defizitär. Folgt man den offiziellen Zahlen, so können durch die Ernährung in Deutschland maximal 35 µg Selen am Tag zugeführt werden. Um alle für unsere Zellgesundheit wichtigen Funktionen des Selens zu bedienen, vor allem die antioxidativen, brauchen wir jedoch 100  bis 200 µg Selen am Tag. Bei Vegetariern/innen und Veganern/innen liegt die tägliche Zufuhr noch einmal deutlich niedriger. Eine Nahrungsergänzung mit Selen ist daher in der Regel bei jedem Menschen notwendig um die Mitochondrien und somit den Organismus vor übermäßigen oxidativen Stress zu schützen. Im Handel werden organische und anorganische Selenprodukte angeboten. Es ist hinlänglich bekannt und von der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bestätigt, dass organische Selen-Nahrungsergänzungen (Selenomethionin oder Selenocystein) am besten resorbiert werden. Auch bilden organische Selenverbindungen Speicher und haben eine längere Halbwertzeit. Sie wirken aber erst nach der Metabolisierung. Werden daher schnell hohe Spiegel an Selen benötigt, z.B. in der Onkologie oder Intensivmedizin, sollten anorganische Produkte als Infusion verwendet werden.

B-Vitamine

Der Citratzyklus liefert die für die Atmungskette notwendigen Protonen über die Koenzyme Thiaminpyrophosphat (TPP) und Flavinadenindinukleotid (FAD). TPP benötigt für seine Funktion das B-Vitamin Niacin und FAD benötigt Riboflavin. Zusammen mit Thiamin sorgen die genannten B-Vitamine dafür, dass Kohlenhydrate im Citratzyklus zu NADH und FADH überführt werden. Dies ist für die spätere Protonengewinnung im Citratzyklus ein entscheidender Schritt. Auch die Einschleusung von Acetyl-CoA ist von entscheidender Bedeutung im Citratcyklus. Dieser Schritt ist unter anderem auch vom B-Vitamin Panthotensäure abängig.

Vitamin B6 (Pyridoxin) katalysiert den Abbau von Glykogen, so dass es im Citratcyklus genutzt werden kann. Vitamin B6 steigert vor allem den die Energieproduktion in der Muskulatur über eine Steigerung der Kreatin Biosynthese. Als Bestandteil der Propionyl-CoA-Carboxylase ist Biotin essentiell für die Verwertung von Glukoxe für den Citratzyklus und somit auch für eine gute Funktion der Mitochondrien. Vitamin B12 dient als Keonzym Adenosylcobalamin und bildet in den Mitochondrien Succinyl Coenzym A. Dieses Enzym ist wesentlich für die Funktion des Citratzyklus in den Mitochondrien.

B-Vitamine sind für die Energiegewinnung unerlässlich. Mitochondriopathien sind oft auch durch einen Vitamin-B-Mangel verursacht. In Deutschland ist eine Unterversorgung mit einigen der B-Vitamine weit verbreitet, daher sollten bei der Behandlung von Mitochondriopathien auch B-Vitamine eingesetzt werden. Bewährt hat sich der Einsatz eines B-Komplexes, da die B-Vitamine immer auch untereinander interagieren und sich in ihrer Funktion unterstützen.

Magnesium

Magnsium ist bei der Bildung von ATP in der Atmungskette ein wichtiger Kofaktor. Ein kombinierter Mangel an Magnesium und Coenzym Q10 kann vor allem bei älteren Menschen mit reduzierter Coenzym-Q10-Bildung schnell zu einerm schwerwiegenden Energiedefizit führen bzw. eine schwere Mitochondriopathie verursachen. Der Mineralstoff ist an allen Reaktionen des Lipid-, Kohlenhydrat- und Proteinstoffwechsels beteiligt. Auch ist es unabdingbar für den Nukleinsäurestoffwechsel.

Eisen

Eisen spielt eine wichtige Rolle für die Elektronenübertragung in der Atmungskette. Es bildet mit Schwefel so genannte Eisen-Schwefel-Cluster, die in den Komplexen I, II und III der Atmungskette vorkommen, sowie im Citratzyklus. In der Atmungskette gibt es auch Eisenverbindungen mit einer Hämgruppe.

Das Eisen-Schwefel-Zentrum überträgt die Elektronen auf Ubichinon, das dadurch zu Ubichinol (QH2) reduziert wird. Die Energie, die bei diesem Prozess frei wird, treibt 4 Protonen von der Matrix in den Intermembranraum der Mitochondrien. Eisen sollte daher nicht nur auf seine Bedeutung für die Hämoglobin Bildung reduziert werden. Mitochondriopathien erfordern oft eine Substitution mit Eisen.

Vitamin D

Vitamin D3 spielt ebenfalls eine Rolle bei der Funktion der Mitochondrien. Bei menschlichen Muskelzellen konnte nachgewiesen werden, dass Vitamin D3 die Sauerstoffausschöpfung der Mitochondrien erhöhte. Auch andere Stoffwechselfunktionen der Mitochondrien wurden verändert[1].

Vitamin K2

Dieses fettlösliche Vitamin steigert die ATP-Produktion in den Mitochondrien. Darüber hinaus können mitochondriale Schäden der Zellen durch Vitamin K2 vermieden und/oder repariert werden. Daraus resultiert, dass Vitamin K2 gegen eine mitochondriale Dysfunktion wirkt und eine normale ATP Produktion unterstützt.

Vitamin E

Es schützt als Antioxidans die Zellen und zusammen mit Coenzym Q10 auch die Mitochondrien vor schädlichen Radikalen. Zusätzlich versorgt Vitamin E den Körper mit Sauerstoff, den er für die ATP-Synthese in den Mitochondrien benötigt.

Vitamin A

Vitamin A ist für den Stoffwechsel der Mitochondrien wichtig. Das Vitamin ist ein essentieller Cofaktor des Enzyms ATP-Synthase. Fehlt dieses Vitamin, kann die Aktivität der Mitochondrien stark zurückgehen.

Mangan

Mangan spielt bei dem antioxidativen Schutz der Mitochondrien eine Rolle. Eine unzureichende Mangankonzentration im Körper kann zu Zell-, Mitochondrien- und Genomschäden führen, da freie Radikale die Zelle in ihrer Funktion beeinträchtigen.

Mangan ist Bestandteil der Superoxid-Dismutase (SOD-2), die für den antioxidativen Schutz der Mitochondrien eine große Bedeutung hat.

Carnitin

Carnitin ist ein Transportmolekül für langkettige Fettsäuren in die Mitochondrien, d.h. bei einem Carnitinmangel ist die Einschleusung der genannten Fettsäuren durch die innere Membran gestört, wodurch sich auch die Energiebildung reduziert. Neben dem Fettsäuretransport ist Carnitin auch für die Entgiftung der Mitochondrien von Bedeutung.

Aminosäuren

Aminosäuren und ihre Derivate sind wichtig für die Mitochondrienfunktion. Wissenschaftler aus Barcelona publizierten 2009, dass das Glutathion in den Mitochondrien die wichtigste Substanz zur Aufrechterhaltung des Redoxgleichgewichts in den Mitochondrien ist. Die Bedeutung des mitochondrialen Glutathion besteht nicht nur darin, dass es in relativ hohen Konzentrationen vorkommt, sondern dass es viele verschiedene Substanzen entgiften kann z.B. Xenobiotika,
Wasserstoffperoxid und Lipidperoxide. Zahlreiche Erkrankungen sind durch einen konsistenten  Abfall der mitochondrialen Glutathion-(GSH)-Konzentration gekennzeichnet.

2012 wurde publiziert, dass Taurin als Regulator der mitochondrialen Proteinsynthese wirkt und dadurch die Aktivität der Atmungskette verbessert und die Mitochondrien gegen eine vermehrte Bildung von Superoxidans-Ionen schützt. Wie aus einem weiteren Fachartikel hervorgeht, kann Taurin auch durch eine Verbesserung der Mitochondrienfunktion die Toxizität von Glutamat in Nervenzellen vermindern.

                           

[1] Zachary C. Ryan, Theodore A. Craig et a.: 1α,25-Dihydroxyvitamin D3 Regulates Mitochondrial Oxygen Consumption and Dynamics in Human Skeletal Muscle Cells; J Biol Chem. 2016 15;291(3): 1514-28