Viele Menschen klagen unter Müdigkeit und chronischer Erschöpfung, so dass es ihnen schwer fällt ihren Alltag zu meistern. Bei manchen Betroffenen setzt die Erschöpfung plötzlich ein, bei anderen entwickelt es sich schleichend, so dass sie oft nicht als Krankheit oder Störung erkannt wird. Das chronische Erschöpfungssyndrom, welches auch als chronic fatigue syndrom (CFS) bezeichnet wird liegt an Fehlfunktionen des Immun-, Hormon- oder Nervensystems. Die genaue Ursache konnte bisher noch nicht vollständig geklärt werden. Stress im privaten oder beruflichen Bereich, Bewegungsmangel, einseitige Ernährung und ein Mangel an Mikronährstoffen verstärken die Beschwerden. Bei einem besonders ausgeprägten Fall spricht man von einer Myalgischen Enzephalomyelitis, dabei handelt es sich um eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die zu einer ausgeprägten körperlichen Behinderung führt. Davon sind weltweit etwa 17 Millionen Menschen betroffen, in Deutschland schätzt man die Zahl auf insgesamt 300.000 bis 400.000 (davon etwa 40.000 Kinder und Jugendliche), mit einer hohen Dunkelziffer. Frauen erkranken doppelt so häufig wie Männer, das mittlere Alter liegt bei 29 bis 35 Jahren. Viele Menschen werden dabei fälschlicherweise als psychisch krank oder mit einem Burn-out diagnostiziert, anstatt als CFS-Syndrom. Hierbei handelt es sich um ein eigenständiges, sehr komplexes neurologisches Krankheitsbild, dass nicht zu verwechseln ist mit dem Symptom Müdigkeit oder chronische Erschöpfung, welches eine typische Begleiterscheinung von chronisch-entzündlichen Erkrankungen ist[1].
Chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS) und Müdigkeit als Folge von Infektionen
Die ausgeprägte CFS beginnt meist nach einer Infektionskrankheit[2], z.B. nach Epstein-Barr-Virus[3], Influenza[4] oder SARS-Covid-19[5]. Neueste Studien weisen auf eine mögliche Autoimmunerkrankung, sowie auf eine schwere Störung des Energiestoffwechsels hin. Jede chronische Erkrankung, wie ein Tumorleiden oder eine Autoimmunerkrankung (z.B. Morbus Hashimoto, Multiple Sklerose) gehen sehr oft mit einem chronischen Erschöpfungssyndrom und ständig müde sein einher. Das Symptom Müdigkeit tritt sowohl als Folge einer Tumorerkrankung, als auch als Nebenwirkung der Therapien (Chemotherapie, Bestrahlung) in 60-90% aller Fälle auf. Verstärkt werden die Symptome durch einen Mangel an Mikronährstoffen, bei Blutarmut (Anämie), durch Schlafstörungen und psychische oder soziale Belastungen.
Wie kommt es zum Mangel an Mikronährstoffen durch Infektionen mit einer chronischen Müdigkeit?
Jede Infektionskrankheit im Körper stellt eine enorme Belastung für das Immunsystem und den gesamten Organismus dar. Zahlreiche Mikronährstoffe sind essentiell für die vielen Funktionen der Immunabwehr. Die moderne westliche Ernährung ist jedoch arm an Vitalstoffen, so dass viele Menschen unter einem marginalen Mangel leiden, ohne es zu wissen. Speziell Vitamin D, Selen und Zink sind entscheidend für die Funktionen des Immunsystems. Im Jahr 2016 stellte das Robert-Koch-Institut (RKI) bereits fest, dass 30,2% der Bundebürger einen schweren Vitamin-D-Mangel aufweisen (< 30 nmol/l). Bei mehr als der Hälfte der Bürger (61,5%) wurde ein moderater Mangel mit Werten < 50 nmol/l nachgewiesen. Nach dem Bericht des Robert-Koch-Instituts sind im Winter 80% der Bundesbürger von einem moderaten und mehr als 50% von einem schweren Vitamin-D-Mangel betroffen[6]. Damit einher gehen chronisches Erschöpfungssyndrom und ständige Müdigkeit.
Vitamin D regt die Bildung von körpereigenen Abwehrstoffen – antimikrobielle Peptide (Cathelecidin und Defensin) – in Haut und Schleimhaut an, die antiviral und antibakteriell wirken. Auch die Aktivität von Makrophagen (Fresszellen) wird durch Vitamin D stimuliert. Weiterhin wirkt es antientzündlich, durch Reduktion der Th1 und Th17 Zellen, sowie durch Anregung der Bildung von Zj2-Zellen und regulativen T-Zellen. So werden Autoimmunerkrankungen, akute und chronische Entzündungen vermieden, da das Immunsystem nicht überreagiert, aber Krankheitserreger gezielt bekämpft werden[7]. Wenn das Immunsystem nicht ständig belastet wird, kommt es auch nicht zu chronischen Erschöpfungssymptomen.
Zink wirkt regulierend auf das angeborene Immunsystem und bildet die erste Abwehrreaktion gegen Krankheitserreger, bevor die reguläre Immunantwort Antikörper und T-Zellen einsetzen kann. Dabei wird in den Monozyten der Nuclear factor kappa B (NF-κB) Stoffwechselweg aktiviert. Er spielt eine wichtige Rolle in der Abwehr von Krankheitskeimen. Gleichzeitig wird vermehrt ein spezieller Zinktransporter gebildet, der die Aufnahme von Zink in Zellmembranen fördert. Das Spurenelement Zink agiert als negativer Regulator, der die Zellaktivität verringert und so exzessive Entzündungen verhindert[8].
Auch Selen nimmt eine Schlüsselrolle für das Immunsystem ein. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt 100 bis 200 µg Selen pro Tag, die tägliche Aufnahme liegt in Deutschland jedoch nur bei etwa 45 µg. Die nordeuropäischen Böden enthalten zu wenig Selen und mit zunehmendem Lebensalter nimmt auch die Möglichkeit der Resorption aus der Nahrung ab. Daher ist ein Selenmangel in Deutschland und den Nachbarländern weit verbreitet.
Zink und Selen wirken der Bildung von freien Radikalen entgegen und schützen die Körperzellen vor oxidativen Stress. Freie Radikale sind aggressive Moleküle, die Körperzellen und Gewebe angreifen, zu Infektionen und chronischen Krankheiten führen, indem sie das Immunsystem schwächen und so einem chronischen Müdigkeitssyndrom Vorschub leisten. Auch andere Antioxidantien sind wichtig zur Abwehr von freien Radikalen und für die Funktion des Immunsystems, wie Vitamin A, Vitamin C, Vitamin E, Flavonoide, Karotinoide, und viele mehr.
Vitamin C und E gehören mit dem selenabhängigen Kofaktor der Glutathion-Peroxidase zum antioxidativen System. Vitamin E schützt ungesättigte Fettsäuren vor der Oxidation[9] und zusammen mit Vitamin C schützen sie die Lipide der Zellmembranen vor einer Peroxidation und der Zerstörung durch freie Radikale[10]. Beide Vitamine sind essentiell für die Funktion des Immunsystems und somit auch zur Vermeidung chronischer Müdigkeit.
Bei einem nachgewiesenen Eisenmangel sollte auch dieses Spurenelement ergänzt werden, da Eisen ebenfalls wichtig für die Funktion des Immunsystems ist.
Beim chronischen Erschöpfungssyndrom herrscht Dauerstress im Organismus
Durch die permanente Müdigkeit muss der Organismus Höchstleistungen vollbringen. Nicht umsonst leiden Patienten mit einem CFS-Syndrom unter zahlreichen immunologischen Symptomen wie Krankheitsgefühl, Lymphknotenschwellungen, Halsschmerzen, sowie rezidivierenden Infekten. Betroffene klagen zusätzlich oft über Schwindelgefühle, Blutdruckschwankungen, Herzrasen, sowie Schmerzen der Muskeln, Gelenke und im Kopf. Durch die starke Belastung des Organismus mit den verschiedensten Störungen verbraucht der Körper jede Menge Mikronährstoffe, die alleine über die Nahrung niemals ergänzt werden können. Werden die Vitalstoffmängel nicht ausgeglichen kommt es zu einem Teufelskreis aus Mangel und Symptomen, der mit der Zeit schwerer zu durchbrechen ist.
Schlafstörungen bei chronischem Erschöpfungssyndrom erfolgreich behandeln
Es ist enorm wichtig für einen geregelten Tagesablauf mit gewisser, möglicher Aktivität zu sorgen. Hilfreich ist es ein Aktivitäts-Tagebuch zu führen. Die Schlafstörungen sollten zuerst mit Melatonin (Schlafhormon) behandelt werden[11]. Um morgens mehr Aktivität aufzubringen und die Energieversorgung zu gewährleisten empfiehlt sich die Gabe von Coenzym Q10, Magnesium, Vitamin B2 und Niacin.
Schlussfolgerung zum Thema chronisches Müdigkeitssyndrom oder Erschöpfungssyndrom
Die Ursachen für ein chronisches Müdigkeitssyndrom sind vielfältig und oft schwer zu fassen. Dennoch sollte man sich die Mühe machen jede unklare Müdigkeit genau abzuklären. Oft liegt ein Mangel an Vitalstoffen vor, der in der Regel leicht zu beheben ist. Grundsätzlich empfiehlt es sich bei Menschen mit chronischem Erschöpfungssyndrom auf komplexe Vitalstoffkombinationen und Antioxidantien zurückzugreifen.
[1] Deutsche Gesellschaft für ME/CFS e.V.
[2] Froehlich, L., Hattesohl, D. B., Jason, L. A., Scheibenbogen, C., Behrends, U., & Thoma, M. (2021). Medical care situation of people with myalgic encephalomyelitis/chronic fatigue syndrome in Germany. Medicina, 57(7), 646
[3] Jason et al. (2020), Risks for Developing Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome in College Students Following Infectious Mononucleosis: A Prospective Cohort Study, Clinical Infectious Diseases, https://doi.org/10.1093/cid/ciaa1886.
[4] Magnus, P., Gunnes, N., Tveito, K., Bakken, I. J., Ghaderi, S., Stoltenberg, C., … & Håberg, S. E. (2015). Chronic fatigue syndrome/myalgic encephalomyelitis (CFS/ME) is associated with pandemic influenza infection, but not with an adjuvanted pandemic influenza vaccine. Vaccine, 33(46), 6173-6177
[5] Islam, M. F., Cotler, J., & Jason, L. A. (2020). Post-viral fatigue and COVID-19: lessons from past epidemics. Fatigue: Biomedicine, Health & Behavior, 8(2), 61-69
[6] Rabenberg M et al. Vitamin-D-Status in Deutschland. Journal of Health Monitoring, 2016; https://doi.org/10.17886/RKIGBE-2016-036
[7] Kamen, Diane L.; TANGPRICHA, Vin. Vitamin D and molecular actions on the immune system: modulation of innate and autoimmunity. Journal of molecular medicine, 2010, 88. Jg., Nr. 5, S. 441-450.
[8] Wie Zink das Immunsystem im Zaum hält. Ärzteblatt.de Februar 2013.
[9] Meydani, S. N., Hayek, M., Vitamin E and the immune response. Nutrition and Immunolog (1992) 105-128.
[10] Frei, B., et al., Antioxidant defense and lipid peroxidation in human blood plasma. Proc Natl Acad Sci USA 85 (1988) 9748 – 9752.
[11] Harrisons Innere Medizin, 19. Auflage, deutsche Ausgabe, in Zusammenarbeit mit der Charité. Herausgegeben von N. Suttorp, M. Möckel, B. Siegmund, M. Dietel. ABW Wissenschaftsverlag GmbH Berlin.